Dienstag, 17. Oktober 2017

Högni - Two Trains

Albumcover: Beats International
(sb) Oh Island, was hast Du der Musikwelt nicht schon für großartige Acts beschert? Sigur Rós, Björk, Of Monsters And Men, Rökkurró, 1860, Kaleo, GusGus und das ist nur die Speerspitze des kreativen Outputs der Insel knapp südlich des nördlichen Polarkreises. Und wenn wir schon bei GusGus sind, dann schlage ich doch direkt mal die Brücke zu deren ehemaligem Bandmitglied und Frontmann HÖGNI, der am 20.10. sein Debütalbum "Two Trains" veröffentlichen wird. Während sich GusGus in den Bereichen Techno, Elektro aber auch Soul verorten lassen, kann sich Högni zwar keinesfalls von elektronischen Klängen loseisen, setzt aber weitestgehend auf klassisches Songwriting mit melancholischer Grundfarbe. Man verfällt ja schnell in Stereotypen ("die Isländer halt"...), aber stellenweise muss man Sigur Rós als Referenz halt doch heranziehen. Nichtsdestotrotz gelingt Högni mit "Two Trains" ein ebenso spannender wie gelungener Spagat zwischen moderner und klassisch-traditionell anmutender Musik, was sicher auch dem Konzept geschuldet ist, dem das Album zugrunde liegt.

Inmitten der Zerstörung auf dem Festland transportierten die zwei Lokomotiven Minør und Pionér von 1913-1917 Wagenladungen an Stein und Kies für den Bau des Hafens von Reykjavík an die Küste Islands. Die zwei metallischen Giganten läuteten ein neues Zeitalter für das Land ein. Doch bereits kurz nach Ende der Arbeiten am Hafen wurden die beiden Loks geparkt und fuhren seither nie wieder. Heute erinnern sie uns nur noch an das Grandeur einer längst vergangenen Zukunft. Es sind die einzigen Züge, die je die isländische Landschaft schmückten.

Die Musik auf "Two Trains" umarmt den Geist der ursprünglichen, europäischen Avantgarde und beruft sich auf ihre Konzepte, mit ihren tuckernden Rhythmen, dem metallischen Klirren und den brütenden Choral-Arrangements (männliche Chöre sind ein distinktiv isländisches Phänomen, das auf die nationale/romantische Politik des 19. und 20. Jahrhunderts zurückzuführen ist), während die Texte von unheilvollen Wolken am vom Krieg beherrschten, östlichen Horizont und von Frachtwagons voll Kies und Träumen erzählen.

Künstlerfoto: Albumcover: Beats International

Alles in allem hat Högni ein Werk geschaffen, das mich einerseits fasziniert, andererseits aber auch verstört. Insbesondere die angesprochenen Chöre wirken aus der Zeit gefallen und kontrastieren die ausgefeilten Soundstrukturen so grob, dass ich sie als störend empfinde. Sehr schade, da die eigentlichen Songs durch die Bank richtig geil arrangiert sind. Und wenn man sich dann noch das Äußere (siehe die Bilder im Artikel) von Högni in Kombination mit der mitunter extrem verletzlichen Stimme vorstellt, kann man erahnen, wie viele Emotionen der Isländer in dieses Album gepackt hat.

Mein Tipp: auf jeden Mal bei Spotify oder so reinhören und dann bei Gefallen (und das kann durchaus passieren!) noch kaufen.

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