Montag, 30. Dezember 2013

Der große musikalische Rückblick 2013, Klappe die Letzte. Auf ein Neues. Loslassen.

 
quelle: trndmusik.de

(mb/yassi) Okay, eigentlich war´s das ja schon von uns für 2013. Nachdem wir ja unseren Senf pünkllich zur Weihnachtsgans dazugegeben haben gibt es zum Jahreswechsel noch mal Butter bei den Fischen. Danke an dieser Stelle an Yassi für den spontanen, und auch längsten, dafür sehr lesenswerten Einwurf zum Ende eines tollen musikalischen Jahres. Wir werden versuchen, unsere Seite in nächster Zeit ein wenig auf Vordermann zu bringen - zumindest ist das der Vorsatz. Aber wir halten es klassisch bayrisch - schau ma moi. Aus Liebe zur Musik, wir hören uns im neuen Jahr, wenn ihr mögt. In diesem Sinne haltet die Luser steif.Jetzt aber Yassi:

Interpret: Prinz Pi
Album: Kompass Ohne Norden 

Trotz der Liebe zur Musik kaufe ich mir sehr selten Musik, schlicht und ergreifend aus dem Grund, dass ich es mir als arme Studentin nicht leisten kann mir jedes Album zu holen, das ich gut finde. Wenn dann doch mal eins gekauft wird, dann nur nach langer und reiflicher Überlegung, ob genau dieses Album auch dasjenige ist, was ich von allen gerade am liebsten hätte.
Als ich letzten Dezember „Unser Platz“ von Prinz Pi gehört hab, wusste ich zuerst nicht so richtig, was ich damit anfangen sollte. Schöne Musik, aber irgendwie komischer Flow. Für einen Rapper ziemlich schlecht gerappt. Dann hab ich es nochmal gehört und versucht es nicht als Rap-Song sondern als Gedicht zu begreifen – und war sofort verzaubert! Ein wunderschöner Song voller Pathos und Poesie über eine Liebe, die sich über alles hinwegsetzt, zu zweit gegen den Rest der Welt.
Als dann ein paar Monate später das Album „Kompass Ohne Norden“ rauskam, habe ich mir das Snippet angehört und musste keine Sekunde länger überlegen: ich hab es mir sofort bestellt. So überzeugt war ich. Bei jedem der Lieder hatte ich das Gefühl, der Künstler liest aus meinem Herzen vor wie aus einem Buch. Da war die Widmung in der CD-Hülle fast ein bisschen ironisch: „Für all jene, die sich fragen, ob ich meine Texte nur für sie geschrieben habe: Ja habe ich. Jeden einzelnen.“
Das Album ist tiefgründig wie kaum ein anderes, voller Selbst- und Sozialkritik, und dabei immer intelligent und charmant. Friedrich Kautz ist ein sehr aufmerksamer Beobachter unserer „Moderne(n) Zeiten“, die so voller Widersprüche sind. Dabei nimmt er aber auch immer wieder Bezug auf sich selbst und ist dabei so offen und ehrlich, dass man das Gefühl bekommt, man wäre sein engster Vertrauter. Mit seinem Hadern, der Suche nach seinem Platz in der Gesellschaft und der Orientierungslosigkeit in seinem Leben, diesem „Wer bin ich überhaupt und wo gehöre ich hin“ und vor allem „Wann fängt es denn endlich an, das richtige Leben, von dem alle immer reden“, spricht er mir direkt aus der Seele und wird zum Sprecher der Generation „30 ist das neue 20“. Der bittersüße Abschied von der Jugend, und doch irgendwie noch nicht im Erwachsenen-Dasein angekommen zu sein, dieses Gefühl der Verlorenheit und des innigen Wunsches irgendwo anzukommen. Und spätestens bei der Zeile „Jeder von uns denkt das gleiche: Keiner, der mich versteht! Keiner, der ist wie ich..“ dachte ich mir: wow, doch es gibt jemanden da draußen, der mich versteht und ich höre gerade sein Album!
Mit einer unglaublichen Bildgewalt und Sprachgewandtheit malt Prinz Pi seine Lieder wie Gemälde, in sich stimmig und doch fügen sie sich auch in ein Gesamtkonzept, wie die Bilder in einer Galerie, und so düster manche Songs auch sind, irgendwie bleibt immer ein Lichtblick.
Doch auch musikalisch hat die Platte einiges zu bieten und man hat das Gefühl jeder Song wurde mit viel Liebe zum Detail gestaltet und arrangiert. Voller Poesie und Leidenschaft überzeugt Prinz Pi mit jedem Track und stellt einmal mehr unter Beweis, dass Deutschrap so viel mehr sein kann als Gangstarap a la Bushido. Tut euch selbst den Gefallen, hört rein und lasst euch begeistern! 

Singles.
Interpret: Max Herre
Album: Hallo, Welt!
Titel: Fremde

Eigentlich bin ich kein Max Herre Fan. Ich weiß nicht wirklich warum, aber irgendwie mochte ich ihn nie besonders. Ich glaube, ich mag seine Stimme nicht so gern. Sein Song „Fremde“ aber hat mich sofort beim ersten Mal hören gepackt. Diese Fragilität und Verletzlichkeit, ein Umherirren im ungerechten Universum, das Nicht-wissen, wo man hingehört und doch oder eigentlich ja gerade deshalb diese fast schon zerreißende Sehnsucht, das Heimweh nach etwas, das man da draußen
vermutet, ohne genau zu wissen, wie es aussehen könnte. Einfach weitermachen, weiterreisen, irgendwann wird schon etwas kommen. Was auch immer es sein mag. Sehnsucht nach der Zukunft, Heimweh nach der Fremde. Für mich ist der Song irgendwie ein Versuch mit der Welt und dem Leben an sich ins Reine zu kommen, so verwirrend und ungerecht diese oft sein mögen. Wenn alles Zufall ist, nichts wirklich einem Gesetz folgt, ist auch alles drin. Genau darin besteht die Hoffnung, die einen antreibt doch immer weiter zu machen, egal wie oft oder wie sehr man sich in einer Sackgasse sieht. Ich geh meinen Weg bis ans Ende… Und somit macht der Song irgendwie Mut ohne dabei auf die Kacke zu hauen. Ganz leise und vorsichtig und ohne ein schillerndes „Alles wird gut“, die stille Zuversicht: Das Leben ist ein Labyrinth und manchmal unglaublich beängstigend und oft fühlt man sich entsetzlich verloren. Aber irgendwo landet man immer. Ganz egal wer man ist, es wird sich immer etwas ergeben woran man festhalten kann. Der Rest liegt bei einem selbst. 


Interpret: Jennifer Rostock
Album: Schlaflos
Titel: Ein Schmerz und eine Kehle

Als ich die erste Single-Auskopplung des neuen Jennifer-Rostock-Albums zum ersten Mal gehört habe, fand ich es etwas befremdlich: Ist Jennifer Weist jetzt unter die Rapper gegangen? Dann aber hab ich näher hingehört, zugehört, auf den Text geachtet. Ein Lied über zwei mitgenommene Seelen, die ihr Leben lang gekämpft haben, wofür oder wogegen auch immer, die keinen Ausweg kennen und dabei geradezu unberechenbar sind, und deren einziger Trost es ist, einander zu haben.
Der Text ist dabei gnadenlos ehrlich und ungeschminkt und doch voller Doppeldeutigkeiten und Wortspiele, die Platz für eine individuelle Interpretation lassen. Raum fürs Schönreden aber lässt er nicht. Das Karma ist korrupt, das Drama ist zum Schreien, aber: Wenn du schreist, schreist du nicht allein!
Genau das ist es, was mich an diesem Song so überzeugt. Kein „Alles wird gut“, kein „Wird doch nicht so schlimm sein“, nein: Es ist schrecklich, es wird vielleicht auch nicht besser, aber mit dem Leid, dem Schmerz ist man nicht allein. Es gibt da draußen noch andere, die auch so fühlen, die wissen, wie es ist. Und genau darin besteht die Hoffnung. Nicht darin, das Schlechte zu verleugnen oder das Unveränderbare verzweifelt ändern zu wollen, sondern gerade darin es anzuerkennen, damit leben zu lernen und in anderen Trost zu finden, die die eigenen Gefühle begreifen können, die mitfühlen und mitleiden.
Und somit wird das rosige Ideal von „Ein Herz und eine Seele“ ins Gegenteil verkehrt: Ein Schmerz und eine Kehle. Dabei bleibt die Verbindung aber die gleiche oder ist vielleicht sogar noch stärker. Denn geteiltes Leid schweißt zusammen und wer zusammen etwas durchgemacht hat, wächst auch daran. Und vielleicht hält „Ein Schmerz und eine Kehle“ der ungerechten Welt sogar besser stand als das poetische und ideelle „Ein Herz und eine Seele“. 


Interpret: Fabian Reichelt & Jaycoux Jr.
Album: Loslassen (Bring Back the Love)
Titel: Loslassen (Tube & Berger Remix)

Eigentlich bin ich der totale Textmensch und meist sind mir die Texte von Songs sogar wichtiger als die Melodie. Eine Ausnahme gibt es allerdings, bei der ich auch gerne auf einen Text verzichte, nämlich bei elektronischer Musik. Ein guter Beat kann mich genauso berührend wie ein ehrlicher Text. Deshalb war ich von diesem Track besonders angetan. Als ich ihn zum ersten Mal in einem Mixtape gehört hab, hab ich sofort aufgehorcht; irgendwie hatte der Beat was, das mich sofort angesprochen hat. Irgendwie leicht und doch mit Tiefgang. Als ich dann merkte, dass der Track auch noch Text hatte, und zwar nicht nur irgendeinen blabla-Text sondern einen richtig guten, war ich hin und weg! Ein mitreißender Beat gepaart mit deutscher Poesie.
Der Text handelt, wie so viele vor ihm, von der Liebe, oder eigentlich von dem, was passiert, wenn sie nicht reicht. Das „Wir lassen es dauern solange es dauert, wir tun nichts dafür und nichts dagegen“, das anfangs so unglaublich romantisch ist und doch letztendlich so verhängnisvoll. Denn dass die Zukunft nicht wartet, sondern irgendwann eintritt, weiß eigentlich jeder, doch wir sind so unglaublich gut darin, diese unangenehme Tatsache zu verdrängen, dass sie uns dann, wenn sie unausweichlich wird, mit voller Härte trifft. Die Tickets vom Hier ins Nirgendwo machen deutlich, wie klar doch eigentlich der Ausgang dieser Beziehung war, die wohl mehr ein Festhalten aneinander war, als etwas stabiles, das die Zeiten überdauert, und das obwohl am Anfang das Ziel so klar zu sehen war. Die Zeit holt uns ein, wenn wir uns nicht beeilen. Es geht um Selbsttäuschung, um Blendung, doch wer sagt, dass eine Liebe, die nirgends hinführt, keine echte Liebe ist? Fabian Reichelt beschreibt auf unglaublich poetische Weise zwei Menschen, die sich für den Moment alles bedeuten, die es immer wieder zueinander zieht und die scheinbar wehrlos gegen diese höhere Macht sind, die es ihnen so unglaublich schwer macht loszulassen, trotz der Vernunft, trotz des Wissens, dass es einfach nicht geht, wider jeglichem Verstand. Und doch ist der Ausgang irgendwie ungewiss. Zwar heißt es „Ich lasse dich los und fang von vorne an“, doch dann dieser kleine, unscheinbare Satz zum Schluss: Weil es weitergeht… Im ersten Moment klingt das nach dem üblichen abgedroschenen „Das Leben geht weiter“. Doch was weitergeht bleibt offen und wer weiß, ob sich die beiden nicht irgendwann wieder begegnen.

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