Montag, 27. Mai 2013

Kolumne Musikindustrie. Teil 1: Und Sie dreht sich noch. Die neue Perlenkette. Schwerpunkt Besitz- vs. Streamingkultur.



(mb) Kaum eine Industrie unterliegt einem so kontinuierlichen Veränderungsprozess wie die Musikindustrie. Als Teil der Unterhaltungsindustrie ist diese freilich konjunkturabhängig. Aber vielmehr wurden die Chancen der Digitalisierung bagatellisiert und vor allem die vielen technischen Neuerungen auf eine äußerst arrogante Art und Weise negiert, so dass dieses Verhalten  die Musikindustrie folgerichtig in eine tiefe Krise stürzte. Jetzt, 2013, wird zum ersten Mal mit einem Turnaround gerechnet. Erstmals seit vielen Jahren werden wieder schwarze Zahlen geschrieben. Das liegt vor allem daran, dass die Musikwirtschaft die technischen Innovationen endlich ertragreich nutzt und Ihr Angebot diversifiziert hat.
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Neue Distributionskanäle bringen viel Geld, zwingen aber auch so manch altgediente Plattenläden in die Knie. Es ist nicht alles Gold was glänzt. Wie so oft gibt es auch eine Kehrseite der Medaille. Deshalb und weil das Thema so vielschichtig wie komplex ist, werden wir schwerpunktartig einzelne relevante Themen rund um die Musikindustrie in nächster Zeit vorstellen. Der erste Schwerpunkt ist das wohl zurzeit am meisten diskutierte Thema: Besitz vs. Streamingdienste. Physische Sammlung vs. Digitale Sammlung. Oder besser:
Und sie dreht sich noch. Die Erde ist eine Scheibe, oder?

 

 

 

 

Plattensammlung vs. Onlinestreamingdienste. Warum muss es immer ein Bekenntnis sein?


Was bevorzugst du? Eine physische Plattensammlung oder lieber eine online basierte Musikdatenbank bei einen der vielen Streaminganbieter? Die Meinungen gehen hier weit auseinander und es gibt kein Richtig oder Falsch. In vielen Diskussion fällt auf, dass oftmals eine radikale Entscheidung getroffen wird: Entweder oder. Aber gibt es nicht eine Grauzone dazwischen ohne sich zu einer Seite zu bekennen? Ich finde das geht und sollte auch als akzeptable Lösung beim populistischen Vinyl- und Early Adopter Junkie durchgehen.

 Die Vinylschallplatte – dreh dich, du schönes schwarzes Gold

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Die Erde ist eine Scheibe. So zumindest war die damalige Weltanschauung als man glaubte, an einem gewissen Punkt im Meer einfach herunterzufallen. Die Vervielfältigung der Musik beginnt auch mit einer Scheibe. Einer schwarzen Scheibe aus Schellack. Eine Nadel schneidet die Rillen auf der Scheibe, die sich dreht. Bald wurde Schellack durch das kaum zu brechende Vinyl ersetzt - and here we go. Irgendwann kam dann die Kassette auf den Markt und machte der Schallplatte mächtig Konkurrenz, die aber erst ihre Vormachtstellung mit der Einführung der CD verlor. Die CD, ein für damalige und immer noch heutige Verhältnisse  kompaktes, praktisches Format leitete den Siegezug der Musikindustrie ein.  Dass dieses Format in Ihrer Ästhetik aber jegliche Glanz & Glorie  vermissen lässt, scheint vielen (immernoch) egal zu sein. Seither ist die CD das wichtigste physische Format, obgleich die Absatzzahlen der CD seit Jahren sinkend sind. Erstaunlicherweise erlebt man bei der Vinylschallplatte genau das Gegenteil: die Absatzzahlen sind seit Jahren steigend,zwar im Rahmen ihres kunstantiquierten Nischendaseins,dafür gar um erstaunliche 28% im Vergleich zum Vorjahr in 2011. Wie ist das in Zeiten von Streamingdiensten und fortschreitender Digitalisierung von Musik möglich? Ganz einfach: Die Schallplatte ist DAS Produkt für Musikliebhaber. Kein anderes Format drückt die Zuneigung zur Musik so deutlich aus. Die Haptik, die ästhetische Erhabenheit der großen Artworkfläche und nicht zuletzt die Prozedur, eine Scheibe aufzulegen und das Gesamtkunstwerk Album von Anfang bis Ende durchzuhören. Ohne skippen von Tracks, konträr zum gegenwärtigen Trend des fragmentierten Musikkonsums.

Plattensammlungen sind nur heiße Luft und  Streamingdienste die Ballone!?

 

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Manch anderer würde jetzt an dieser Stelle eine Vinylsammlung als „Angeberei“ abtun. Denn wir wandeln uns immer mehr zu einer sharing economy. Wozu soll ich einen Song besitzen, wenn ich den gleichen Nutzen durch das schlichte Erlebnis des Hörens via Online Streaming erfahren kann? Und das vor allem kostenfrei. Das nahezu gesamte weltweite Musikarchiv steht mir als Bibliothek zur Verfügung. Davon greife ich mir die Perlen heraus, erstelle meine eigenen Playlists  und teile es mit meinen Freunden. Genau darum geht es: das gemeinsame Musikerlebnis, wenngleich auch nur virtuell. Auch Musik wird Teil der Erlebnisgesellschaft. Ich bin jederzeit vernetzt, sehe was meine Freunde hören, empfehle Tracks oder bekomme welche empfohlen, egal wo ich bin. Wie geil ist das eigentlich? Hätte mir das jemand vor 7 Jahren erzählt, ich wäre an die Decke gesprungen. Eine Studie hat ergeben, dass Menschen dennoch lieber Musik besitzen, denn die Fülle an Musik bei Streamingdiensten implementiert oftmals das schier endlose Jagen nach dem perfekten Song. Der Musikmarkt wird immer unübersichtlicher und man kann, wenn man nicht jeden Tag etwa 2 Stunden dafür aufwendet, gar nicht mehr up to date sein. Wenn es zur Hetzjagd wird, muss eben die Reißleine gezogen werden. Und wie geht das besser als mit „lokalen Dateien“?

Die Erhabenheit der Freiheit. Oder die neue Perlenkette.

 

Was ist nun also besser: Online Streamingdienste oder die eigene Plattensammlung? Die Antwort: Keiner der Beiden. Ich sehe es so, dass ich Musik, die mich wirklich berührt, auch in physischer Form berühren möchte. Sei es als Support für den geliebten Künstler oder einfach als Anerkennung für die tolle Platte. Außerdem habe ich das Vinyl oder die CD in der Hand, lese die Dankesworte im Artwork und die Lyrics. Anderseits würde ich jede CD, sei es physisch wie non – physisch, die mir gefällt kaufen, wäre ich bald sehr arm und genau wie die Musikindustrie noch vor wenigen Jahren in der wirtschaftlichen Abwärtsspirale. Darum nutze ich die Streamingdienste um verschiedenste Musik hören zu können. Überall und wann ich will. Das ist schlichtweg genau auf meine Wünsche zugeschnitten und auf diese Form des komfortablem Konsums  möchte ich nicht mehr verzichten,  geschwiege denn eine ignorante Grundeinstellung gegenüber dieser „niederen“ Form des Musikkonsums entwickeln. Musik bleibt Musik, qualitative Unterschiede gibt es immer, aber in diesem Fall ist THE MEDIUM nicht zwangsläufig auch THE MESSAGE. Sorry Herr McLuhan. Denn wie die Geschichte gelehrt hat, kann die Negierung neuer Kanäle bitter bestraft werden. Deshalb sehe ich die Plattensammlung als erhabene Liebelei (manch einer wieder als Angeberei), die erfreulicherweise die ein oder andere musikalische Diskussion angeregt hat. Face to Face, so wie es bitte immer bleiben sollte und Ausdruck meiner wahren Zuneigung zu dieser Musik, zu diesen Perlen, ist. Online Streamingdienste sind dazu ein hervorragender Komplementär, welche eine  riesige Datenmenge an Musik zugänglich machen. Man möchte einfach gerne viele Musikmuscheln öffnen um die wenigen Perlen zu finden. Die man dann auch besitzen will. Das ist die neue Perlenkette.


Im nächsten Teil beschäftigen wir uns mit dem Schwerpunkt Musikmarkt und seinen Marktstufen.

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